by Rike Scheffler
(ohne Titel)
eilig bergen was alle wissen:
da ist Blut unter den Nägeln
Verantwortung —
wohin mit dem Futter für den Hund
den Verpackungen
Imperative — sind konserviert
Wörter bergen wie „Gletscher“, „Nutztier“,
„Turbo“ — und was sie bedeuten
ich — nun frenetisch sammelnd
archivierend —
der Winter verschwand nicht
der Winter starb aus
(ohne Titel)
bergen — was ich nicht zurücklassen kann:
Maisstärke, Mycelien und Algen, die uns eine Weile lang hielten
unsere Städte zu beleuchten, verwalten —
Kristalle, Flechten und Mikroben
Rosenkohl und Pflanzendünger
Nährstoffkreisläufe, massenhaft Sauerstoff
Sapphos Fragmente
die Walzer von Ravel
und fast alles von Bach
meine Ablassbriefe für Plastik, geschreddert
eine verglaste Sandröhre, von der ich nie wusste
eine Lavalampe
ein Klavier 2 hz nach unten gestimmt
Hausschuhe der Größen 14 bis 47 1/2
(ohne Titel)
bergen — die Freiräume, aufgeblähten Nähte
von Bedeutung — aber auch Un-bedeutung, Un-atmen
Un-essen, Un-wollen, Un-fliegen, Un-kolonialisieren —
das L:eben, das mich richtet
das Lauschen mit der Haut Leuchten, Nahsein
Verbinden, das uns niemand nimmt
Rike Scheffler (*1985) is a poet, performer and sound artist creating work at the intersection of language and music. Her work varies from poetry and poetical essays for publication in journals and anthologies to readings, concerts and performances (some solo, some with fellow musicians) as well as sonic ecosystems and spacial installations. As a live performer, she uses her voice, loop station, effect pedals and synthesizer, to create immersive realities challenging common perceptions, dark and warm spatial poetry. Scheffler has received various scholarships in Europe and has performed at international music and literature festivals around the globe. Her poetry collection der rest ist resonanz (kookbooks, 2014) won the Orphil Debut Prize for political and avant-garde writing. She often collaborates with fellow artists such as Mette Moestrup and a rawlings, the sound virtuoso Robert Lippok and Ólafur Elíasson’s Institute for Spacial Experiments. Recent work include the three-part poetry intervention Words That Hurt at Neue Nationalgalerie Berlin (2014), the imaginative exhibition Your Exhibition at Louisiana Museum of Modern Art in Copenhagen (2016) 2 sound performances at the Festival of Future Nows at Hamburger Bahnhof Berlin (2017) the binaural sound installation Becoming Water at Palais de Tokyo, Paris (2019) and the surround sound video installation Lava. Ritual (2022) as part of the Poesiefestival Berlin’s exhibition AI Ancestors – Making Kin in the Future at the Akademie der Künste Berlin, which she also curated.
Rike Scheffler (*1985) arbeitet transdisziplinär in den Bereichen Lyrik, Performance, Installation und Musik. 2014 erschien ihr erster Gedichtband der rest ist resonanz bei kookbooks, ihr neuer Gedichtband Lava. Rituale erscheint im Frühjahr 2023 ebendort. Lava. Rituale erkundet zärtliche, spekulative Seinsweisen artenübergreifender Allianz, bewegt sich tief im queeren somatischen Dazwischen. Dort liegt, verankert in Handlung und Um-Handlung, eine mögliche Welt. Für ihre Arbeit erhielt Scheffler 2016 den Orphil Debütpreis für politisches und avantgardistisches Schreiben sowie zahlreiche Förderungen und Stipendien. Zuletzt war sie 2020 Casa-Baldi Stipendiat*in der Deutschen Akademie Rom. Poesie ist für Scheffler Möglichkeitsraum, transformative Praxis. Häufig entwickelt sie aus ihren Gedichten mit Stimme, Loopmaschine, Synthesizer und Effektgeräten immersive Ökosysteme und Realitäten, die gängige Wahrnehmungen in Frage stellen. Scheffler tritt rund um den Globus auf, kollaboriert mit Ólafur Elíassons Institut für Raumexperimente und präsentierte ihre Arbeiten bisher u.a. in der Neuen Nationalgalerie, im Hamburger Bahnhof Berlin, im Palais de Tokyo Paris sowie dem Louisiana Museum of Modern Art. Letzte Veröffentlichungen: Wax and Gold / Solid Gold (Walther Koenig London 2020) Schreibheft 98 (2022). Letzte Performance: Echoes from the Future & letzte Surround Sound + Video Installation: Lava. Rituale, im Rahmen der Ausstellung AI ANCESTORS – Making Kin in the Future in d. Akademie der Künste Berlin, (Juni 2022).